Mit Urteil vom 17.06.2015 hat der
Bundesgerichtshof das Recht auf Zurückbehaltung des Mieters bei
Mangel der Mietsache, so wie es bislang von der Rechtsprechung den
Mietern zugesprochen wurde, deutlich eingeschränkt.
Der Ausgangsstreit: Zwischen den
Parteien bestand seit 1988 ein Mietvertrag über eine Wohnung. Im
Zeitraum von März 2009 bis Juni 2013 gerieten die Mieter mit Mieten
i.H.v. rund 16.000,00 EUR in Rückstand. Die monatlich geschuldete
Miete belief sich auf 530,90 EUR. Die Vermieterin erklärte aufgrund
des Mietrückstands mehrfach die Kündigung wegen Zahlungsverzuges.
In der Wohnung war Schimmel aufgetreten. Nach den Urteilen von Amts-
und Landgericht waren die Mieter deshalb zu einer Minderung von 20 %
berechtigt. Zusätzlich stand den Mietern – jedenfalls nach Ansicht
des Landgerichts – bis zur Mängelbeseitigung ein ansonsten
zeitlich unbegrenztes Zurückbehaltungsrecht an dem vierfachen
Minderungsbetrag zu. Letztlich hätten die Mieter so, jedenfalls bis
zur Beseitigung des Mangels, keine Miete mehr zahlen müssen. Deshalb
wurde die Räumungsklage der Vermieterin durch das Landgericht
abgewiesen.
Die Entscheidung: Der
Bundesgerichtshof hob das Berufungsurteil des Landgerichts auf und
bestätigte das amtsgerichtliche Urteil, mit dem die Mieter zur
Räumung der Wohnung verurteilt worden waren. Entgegen der Ansicht
des Landgerichts, das hier der vollkommen herrschenden Auffassung zur
Bemessung des Zurückbehaltungsrechts gefolgt war, soll nach der
Entscheidung des Bundesgerichtshofs dieses nur in sehr viel
geringerer Höhe ausgeübt werden dürfen. Die genaue Höhe des
Zurückbehaltungsrechts muss durch den Tatrichter im Rahmen seines
Beurteilungsermessens aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände
des jeweiligen Einzelfalls und unter Berücksichtigung des
Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 320 Abs. 2, § 242 BGB) bemessen
werden. Hierbei ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zu
berücksichtigen, dass durch das Recht auf Zurückbehaltung ein
allein vorübergehender Druck auf den Vermieter ausgeübt werden
soll. Sei angesichts der Höhe des Einbehalts und/oder der
verstrichenen Zeit seit dem erstmaligen Einbehalt nicht mehr zu
erwarten, dass der Vermieter seiner Verpflichtung trotz des
ausgeübten Drucks nachkommen werde, habe das
Leistungsverweigerungsrecht seinen Zweck verfehlt und dürfe nicht
weiter ausgeübt werden. Das Zurückbehaltungsrecht ist demnach immer
schonend auszuüben und unterliegt sowohl einer zeitlichen als auch
einer betragsmäßigen Begrenzung.
Praxistipp: Durch das Urteil des
Bundesgerichtshofs werden die Verteidigungsmöglichkeiten des Mieters
bei Zahlungsverzugskündigung des Vermieters und vorhandenen Mängeln
der Mietsache erheblich eingeschränkt. Durch das zuvor nahezu
durchgehend zuerkannte Zurückbehaltungsrecht konnte bei tatsächlich
vorhandenem Mangel selbst bei hohen Mietrückständen häufig eine
Kündigung abgewehrt werden. Dies wird in Zukunft erschwert.
Zusätzlich wird man sehr viel genauer argumentieren müssen, um den
zurückbehaltenen Betrag zu rechtfertigen.
Der Bundesgerichtshof weist richtig
darauf hin, dass dem Mieter im Falle eines Mangels eine ganze Reihe
von Rechten zur Durchsetzung der Mangelbeseitigung zur Verfügung
steht. Der Mieter kann auf Mängelbeseitigung klagen, er kann im
Falle des Verzuges des Vermieters Schadensersatz geltend machen, er
kann ebenfalls bei Verzug des Vermieters den Mangel selbst beseitigen
und Ersatz der Aufwendungen verlangen oder aber einen Vorschuss auf
die Mangelbeseitigungskosten verlangen. Schließlich steht ihm auch
ein Recht zur fristlosen Kündigung zur Seite mit der Möglichkeit
der Geltendmachung des Kündigungsfolgeschadens.
Letztlich muss man zudem beachten: im
Gegensatz zu der Mietminderung ist die zurückbehaltene Miete nach
der Beseitigung des Mangels – auch ohne Aufforderung (!) – an den
Vermieter zurückzuzahlen. Während die Minderung die, für eine
mangelfreie Sache geschuldete Miete, an den tatsächlichen,
mangelbehafteten Zustand anpassen soll, dient das
Zurückbehaltungsrecht der Ausübung von Druck auf den Vermieter, um
ihn zur Beseitigung des Mangels anzuhalten.