BGH, Beschluss vom 06.10.2015 - VIII ZR 321/14
Mit Beschluss vom 06.10.2015 hat der
Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Bonn vom 06.11.2014 –
6 S 154/14 bestätigt, mit dem die Räumungsklage eines Vermieters
trotz ordentlicher Zahlungsverzugskündigung abgewiesen wurde.
Zum Sachverhalt wird auf die
Entscheidung des Landgerichts Bonn verwiesen.
Das Landgericht hatte die Revision zum
Bundesgerichtshof zugelassen, damit der Bundesgerichtshof allgemeine
Grundsätze aufstellen kann, unter welchen Bedingungen dem Vermieter
die Berufung auf die zunächst wirksame ordentliche Kündigung nach
Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sein könnte. Nach Ansicht des
Landgerichts Bonn wäre es sinnvoll, solche allgemeingültigen
Grundsätze aufzustellen. Denn Behörden, die bereit sind zügig
Mietrückstände zu begleichen, machen regelmäßig einen solchen
Ausgleich von einer Erklärung des Vermieters abhängig, dass dieser
auf die Wirkung der ordentlichen Kündigung verzichtet. Gerade in
Ballungsräumen, in denen die Vermieter damit rechnen können, die
Wohnung teurer neu zu vermieten, wird eine solche Erklärung (auf
Verzicht der hilfsweisen ordentlichen Kündigung) von einer Vielzahl
von Vermietern nicht abgegeben. Da der Mietrückstand dann von der
jeweiligen Behörde nicht innerhalb der Schonfrist ausgeglichen wird,
kann der Mieter den Räumungsprozess nicht gewinnen.
Hintergrund der Entscheidung ist die
ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der die Heilung
der fristlosen Kündigung durch Leistung innerhalb der Schonfrist (§
569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) nicht auch zur Heilung einer gleichzeitig
ausgesprochenen hilfsweisen ordentlichen Kündigung führt. In seiner
aktuellen Entscheidung lehnt es der Bundesgerichtshof nunmehr ab,
abstrakte Grundsätze aufzustellen, nach denen eine Berufung auf die
ordentliche Kündigung dem Vermieter nach Treu und Glauben verwehrt
sein könnte. Dies würde nach Ansicht des BGH auf die Möglichkeit
der analogen Anwendung der, für die fristlose Kündigung geltenden,
Schonfristregelung auf die ordentliche Kündigung hinauslaufen.
Vielmehr sei es Aufgabe des jeweiligen Tatrichters aufgrund einer
Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob
der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) der
Durchsetzung des Räumungsanspruches ausnahmsweise entgegenstehe.
Die Entscheidung des LG Bonn einen
solchen Ausnahmefall für den konkreten Fall anzunehmen hat der BGH
nicht beanstandet. Denn, zumindest dann, wenn (1.) die Nichtleistung
der Miete durch das Jobcenter verschuldet war, (2.) die Mieter sich
unmittelbar nach Erhalt der ersten Kündigung um eine Rückführung
der Mietrückstände bemüht und erreicht haben, (3.) dass die
Rückstände innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums und noch vor
Zustellung der Räumungsklage vom Jobcenter beglichen wurden, (4.) es
in der Vergangenheit keine Zahlungsrückstände gegeben hat, (5.) es
auch keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es in der Zukunft noch
einmal zu Zahlungsrückständen kommen wird, (6.) in der
Vergangenheit keine sonstigen mietvertraglichen Pflichten verletzt
wurden und (7.) auch keine Anhaltspunkte für künftiges
Fehlverhalten der Mieter vorliegt, dem Vermieter aufgrund einer
Würdigung des Einzelrichters verwehrt sein kann, sich auf die
Wirkung der ordentlichen Kündigung zu berufen.
Praxistipp:
Im Räumungsrechtsstreit sollte also zukünftig unter
Berücksichtigung (unter anderem) der oben genannten Kriterien
versucht werden, darzulegen, weshalb es dem Vermieter verwehrt ist,
sich auf die ordentliche Kündigung zu berufen. Ein weiteres
Kriterium könnten Pflichtverletzungen des Vermieters in der
Vergangenheit sein, die die Pflichtverletzung des Mieters in einem
milderen Licht erscheinen lassen. Wesentlich wird dabei der umgehende
Ausgleich der Mietrückstände noch vor Ablauf der Schonfrist sein.
Mieter sollten bei einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs umgehend
den Ausgleich der Mietschulden bei dem zuständigen Jobcenter
beantragen und auf die Eilbedürftigkeit hinweisen. Sollte eine
Entscheidung nicht zeitnah erfolgen, sollte ein auf Sozialrecht
spezialisierter Rechtsanwalt mit der Durchsetzung des Anspruchs
beauftragt werden.